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Proteinshakes für Alle ? Wie sinnvoll sind sie eigentlich ?

Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel ist riesig. Immer mehr Anbieter überfluten den Markt mit neuen Produkten und postulieren gleichsam das "Wundermittel" für den jeweiligen Verbraucherbedarf im Portfolio zu haben. Anders als bei Arzneimitteln müssen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln weder einen Wirksamkeitsbeleg erbringen, noch auf potentielle Wechselwirkungen mit anderen Substanzen oder Medikamenten testen. Aufgrund dieser Tatsache und der damit einhergehenden niederschwelligen Marktzugangsbarrieren versuchen viele Anbieter mit nutzlosen Nahrungsergänzungsmitteln viel Geld zu verdienen. Eine besonders häufig beworbene Produktgruppe sind dabei Proteinpräparate.

Proteine braucht man zum Muskelaufbau! Genau diese Aussage liest man ständig. Welchen Zweck sie wirklich erfüllen und wie sinnvoll sie sind, erfahrt Ihr in diesem Artikel.

Nahrungsergänzungsmittel und deren Nutzen

Nahrungsergänzungsmittel können bisweilen in vier Kategorien (siehe Abb.1) eingeteilt werden. Dabei gehören Proteine bzw. entsprechende Sportgetränke zur Gruppe A und können somit die Leistung positiv beeinflussen und sind diesbezüglich wissenschaftlich anerkannt. Dies gilt für die überwiegende Mehrzahl der anderen Nahrungsergänzungsmittel nicht,

Abb. 1. Einteilung der Nahrungsergänzungsmittel, nach dem Nutzen, in vier Gruppen [1]

Funktion der Proteine im Körper

Proteine gehören neben Kohlenhydraten und Fetten zu den Makronährstoffen. Sie bestehen grundsätzlich aus Aminosäuren, können sich jedoch zum Teil erheblich in ihrem Aufbau unterscheiden. Prinzipiell werden sie in globuläre und fibrilliäre Proteine eingeteilt. Während globuläre Proteine wasserlöslich sind und wichtige biochemische Funktionen im Körper (z.B. Immunfunktion, Blutgerinnung, Transportprozesse, Verdauung, Metabolismus) wahrnehmen, dienen fibrilliäre Proteine eher als Stützkomponenten (z.B. der Gefäße, Muskeln, etc.)[2].

Der Mensch ist auf die Zufuhr von Proteinen bzw. einzelnen Aminosäuren angewiesen. Lysin, Threonin und Histidin zählen zu den unentbehrlichen (früher essentiellen) Aminosäuren. Diese kann der Körper nicht selbst bilden (ungesättigte Fettsäuren ebenfalls nicht), weshalb sie mit der Nahrung aufgenommen werden müssen. Dabei ist Protein nicht gleich Protein. Je nach Zusammensetzung des Proteins (hier ist die Aminosäuresequenz entscheidend) ergeben sich unterschiedliche biologische Wertigkeiten. Die biologische Wertigkeit beschreibt dabei den Anteil an aufgenommenen Nahrungsprotein, der zum Aufbau körpereigener Proteine genutzt werden kann. Vereinfacht gesagt kann das Protein besser genutzt werden, das dem menschlichen Protein am ähnlichsten ist. Deshalb haben tierische Proteine auch eine höhere biologische Wertigkeit. Darüber hinaus gibt es noch weitere Charakterisierungen der Proteine (z.B. Verdaubarkeit), die allerdings hier nicht näher erläutert werden sollen.

Als Referenzwert der Biologischen Wertigkeit dient das Hühnereiweiß (100%). Grundsätzlich hat tierisches Eiweiß eine bessere Bioverfügbarkeit, allerdings kann durch geschickte Kombination verschiedener Lebensmittel auch eine ähnliche oder sogar bessere biologische Wertigkeit erreicht werden. So hat beispielsweise eine Mahlzeit aus 36% Ei und 64% Kartoffeln eine biologische Wertigkeit von 136 (aufgrund der geschickten Kombination von Aminosäuren).

Bohnen und Mais haben dagegen einzeln eine recht geringe Bioverfügbarkeit des Eiweißes. Kombiniert man diese jedoch in einer Mahlzeit (52% Bohnen und 48% Mais) erreicht man immerhin knapp den Wert von 99% (vgl.Ei). Dies sind nur einige Beispiele, wovon es aber durchaus weitere gibt. Soja, Milch, Fisch und Fleisch stellen die besten Proteinlieferanten dar.

Insbesondere Milch weist einen recht hohen Leucingehalt auf, der vor übermäßigem Muskelverlust in Diätphasen bewahren kann[2][3].

Stoffwechsel und Proteinaufnahme

Proteine nehmen im Gegensatz zu Kohlenhydraten und z.T. auch Fetten eher die Aufgabe als "Baustoff" dar. Die große Gruppe der Enzyme gehört zur Klasse der Proteine und ist essentiell für den Stoffwechsel. Daher sind Proteine auch schlechte Energielieferanten. Bei ihrer Verdauung aktivieren sie sogenannte Entkopplerproteine (UCP), die zur Entkopplung der Atmungskette führen und somit sowohl den Energieverbrauch als auch die Körpertemperatur steigern (zusätzlicher Energieverbrauch)[3]. In Hungerphasen können Proteine in Aminosäuren gespalten und in Glucose (Traubenzucker) umgewandelt werden, allerdings ist diese Form der Energiegewinnung nicht sonderlich effizient [4].

Immer mehr Forschungsergebnisse deuten aufgrund dieser Beobachtungen darauf hin, dass Kalorien nicht gleich Kalorien sind. Dabei hat eine Studie den Einfluss einer hyperkalorischen Ernährung mit einer täglichen Proteinaufnahme von 4,4 g pro kg Körpergewicht (4,4g/kg KG) getestet. Das Ergebnis war, dass es zu keiner Gewichtszunahme kam [5].

Eine andere Studie hat den abendlichen Konsum von Nüssen mit dem von Süßigkeiten (jeweils gleiche Energie-/Kalorienmenge) verglichen. Die Personen in der Süßigkeiten-Gruppe (hoher Kohlenhydratanteil) nahmen an Gewicht zu, während die Nuss-Gruppe ihr Gewicht hielt [6].

Der Proteinbedarf eines Menschen richtet sich nach dem Energiebedarf. In Tabelle 1 ist der entsprechende Bedarf dem jeweiligen Aktivitätsniveau zugeordnet.

Tabelle 1, angestrebte Proteinaufnahme bei unterschiedlichen Aktivitätslevel [7]

Es ist zu sehen, dass mit zunehmendem Energieverbrauch auch die Proteinaufnahme steigen sollte.

Zudem fällt auf, dass ältere Personen (ab 65 Jahren) ebenfalls einen erhöhten Proteinbedarf aufweisen, der nötig ist um bestimmte Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Prinzipiell ist die Proteinaufnahme (nach Tabelle 1) rein über die Nahrung abzudecken. Bei höherem Gewicht und ausgeprägter sportlicher Aktivität bzw. einer speziellen Diät oder Ernährungsweise (z.B. Veganer), kann eine ausreichende Proteinversorgung jedoch häufig nicht mehr rein über die Nahrung abgedeckt werden.

Was geschieht bei einer Proteinunterversorgung

Darüber hinaus ist bekannt, dass eine unzureichende Eiweißversorgung (Eiweiß = Protein) zu einer negativen Stickstoffbilanz führt. Stickstoff ist jedoch essentiell wichtig für den Körper, da sowohl Enzyme als auch das menschliche Erbgut (DNA) u.a. aus Stickstoff bestehen. Demnach kann eine Unterversorgung den Stoffwechsel negativ beeinflussen [8].

Die Zellen und Komponenten des Immunsystems (z.B. Antikörper) benötigen ebenfalls ausreichend Aminosäuren, um optimal arbeiten zu können. Schon wenige, hoch intensive Sporteinheiten, bei gleichzeitiger Proteinunterversorgung und Flüssigkeitsverlust führen zu einem Ansteigen der Stresshormon- und Cytokinausschüttung (Cytokine sind Entzündungsmediatoren). Die Folge ist eine Abnahme der Immunfunktion und Zunahme der Infektanfälligkeit. Daher wird bei längeren, insbesondere häufigen Trainingseinheiten eine optimale Proteinversorgung empfohlen. Es konnte gezeigt werden, dass eine optimale Proteinversorgung die Anfälligkeit für Erkältungen (bei Sportlern) senken kann. Insbesondere bei längeren Trainingseinheiten (> 60 Minuten) sollten 30-60 g Kohlenhydrate (Glucose oder Fructose) pro Trainingsstunde aufgenommen werden. Wie zuvor geschildert dienen Kohlenhydrate als primäre und am leichtesten verfügbare Energiequelle. Die kurzfristige Energiebereitstellung aus Fetten oder Proteinen versetzt den Körper in einen Stresszustand. Zur Reduktion der Folgen dieser Stressreaktion und Unterstützung der Immunfunktion können polyphenolreiche Beeren (z.B. Heidelbeeren) oder alkoholfreies Bier dienen [9].

Nahrungsergänzungsmittel mit Antioxidantien sollen nicht eingenommen werden. Ihr Nutzen ist nicht wissenschaftlich bestätigt und eine zu hohe Aufnahme jener Stoffe kann den Stoffwechsel negativ beeinträchtigen. Zudem haben sportlich aktive Menschen eine erhöhte antioxidative Kapazität und ein gewisser zellulärer Stress fördert die Adaptation auf den Trainingsreiz (Freisetzung von Wachstumshormonen) [1]. Ebenfalls empfohlen wird die Anwendung von 1.000 IE Vitamin D. Als Apotheker empfehle ich jedoch ausdrücklich vorab den Vitamin D Spiegel beim Arzt bestimmen zu lassen, da eine übermäßige Vitamin D-Einnahme zu Nierenschäden führen kann.

Das Wissen gezielt nutzen

Nun wie kann man dieses Wissen für sich nutzen und welche Schlüsse kann man daraus ziehen ?

Die Proteinaufnahme bzw. die gesamte Energieaufnahme richtet sich nach dem verfolgten Ziel.

Diesbezüglich sollte man entweder die Gewichtsabnahme oder ein Muskel- bzw. Ausdaueraufbau anstreben. Abhängig davon sollte auch die Nahrungs- und Energieaufnahme entsprechend geplant werden. In Abb. 2 ist die optimale Nahrungszusammensetzung bei unterschiedlichen Zielen dargestellt.

Abb. 2, Energieverbrauch und optimale Energieaufnahme einer 80 kg schweren Person, in Abhängigkeit des jeweiligen Trainingsziels [3].

Der Abbildung ist zu entnehmen, dass insbesondere die Kohlenhydrataufnahme und Eiweißaufnahme variiert wird.

Bei der Gewichtsabnahme sollte der Proteinanteil möglichst hoch sein, um einen übermäßigen Verlust der Muskulatur zu vermeiden und nicht in eine negative Stickstoffbilanz zu geraten. Mit zunehmender Energieaufnahme darf der Proteinanteil auch zurückgefahren werden. Gerade Leistungssportler profitieren von der schnellen Energiebereitstellung der Kohlenhydrate, weshalb diese eine entsprechend höhere Kohlenhydrataufnahme anstreben sollten.

Welche Informationen konnten die Sportwissenschaften und Humanmedizin darüber hinaus gewinnen?

Nach dem Training (innerhalb von 30 Minuten) bringt die Kombination aus 0,2-0,4 g/kg KG Protein und 0,8 g/kg KG Kohlenhydrate die größten Effekte hinsichtlich des Muskelzuwachses. Hier bietet sich v.a. die Kombination aus Banane und Joghurt an [1].

Eine hohe Proteinaufnahme scheint die Regeneration der Muskulatur nicht zu fördern, während das Muskelwachstum davon jedoch schon profitiert. Insbesondere Ausdauersportler scheinen keinen Leistungszuwachs durch eine zusätzliche Proteineinnahme, in Form von Eiweißshakes, zu erfahren [2].

Die tägliche Proteinaufnahme sollte 2 g/kg KG nicht überschreiten, da dies zu einer Absenkung des Blut-pH-Wertes (metabolische Azidose) und der Aminosäure-Plasmakonzentration führt. Diese Absenkung ist sonst nur bei einer katabolen (abbauenden) Stoffwechsellage zu beobachten.

Ältere, Diabetiker und Übergewichtige können von einer eiweißbetonten Ernährung profitieren, da die Funktion der Mitochondrien gestärkt und die Insulinresistenz gesenkt wird. Bei Patienten mit Nierenschäden ist hier jedoch Vorsicht geboten

Die tägliche Proteinaufnahme sollte jeweils zur Hälfte aus pflanzlichem und tierischem Protein bestehen, um eine übermäßige Fett-, Cholesterin- und Purinaufnahme (siehe Gicht) zu vermeiden [3].

Molkeprotein wird am schnellsten verdaut, während die Caseinproteinverdauung deutlich länger benötigt. Mehrkomponenteneiweiß besteht aus einer Mischung verschiedener Proteinarten (schnell und langsam verdaubare Proteine) und bietet somit eine kontinuierliche Proteinversorgung .

Beim Abbau von Aminosäuren entsteht Ammoniak, das sowohl toxisch auf die Leber als auch auf das zentrale Nervensystem wirkt. Da besonders nachts die Proteinverdauung nur eingeschränkt (eher zu Ammoniak als zu Harnstoff) abläuft, ist eine hohe Proteinaufnahme vor dem Schlafen gehen dringend zu vermeiden [4].

Der Effekt von BCAAs (verzweigtkettige Aminosäuren) auf die Muskelregeneration ist nicht eindeutig, weshalb sich diesbezüglich keine Verzehrsempfehlung ableiten lässt [10].

Fazit: Die Proteinaufnahme kann prinzipiell durch eine besonders abgestimmte Ernährung gedeckt werden. Bei bestimmten Ernährungsgewohnheiten (z.B. Veganer), Diäten, Leistungssportlern oder aus Gründen der Bequemlichkeit können Nahrungsergänzugsmittel auf Proteinbasis (z.B. Proteinpulver) eine sinnvolle Alternative darstellen. Generell wird dadurch jedoch keine abwechslungsreiche Ernährung ersetzt, sondern nur ergänzt ! Die tägliche Proteinaufnahme sollte nicht höher als 2 g pro kg Körpergewicht sein.

[1] Mehr Kraft mit Eiweißshakes & Co? Nahrungsergänzungsmittel und ihr Einsatz im Sport, Aktuel Ernahrungsmed 2016, S. Mosler

[2] Alles Pro für Proteine? Eiweiß in der Humanernährung Journal für Ernährungsmedizin 2013; 15 (1), S. Pichler

[3] Proteinzufuhr im Sport - Bedeutung für Aufbau und Erhalt der muskulären Leistungsfähigkeit, sportmed präventivmed (2010) 40/3, D. König et al.

[4] Kompendium der Sportmedizin, 2. Auflage, 2017, M. Wonisch et al.

[5] The effects of consuming a high protein diet (4.4 g/kg/d) on body composition in resistance-trained individuals
, Journal of the International Society of Sports Nutrition 2014, 11:19, J. Antonio et al.

[6] Two weeks of overfeeding with candy, but not peanuts, increases insulin levels and body weight. Scand J Clin Lab Invest 2009, 69, A.L. Claesson , G. Holm ,A. Ernersson ,T. Windstorm ,F.H. Nystrom

[7] Sport nutrition: A review of the latest guidelines for exercise and sport nutrition from the American College of Sport Nutrition, the International Olympic Committee and the International Society for Sports Nutrition, S Afr J Clin Nutr 2013;26(1), S. Potgieter. 


[8] Einfluss von Proteinen auf die muskuläre Regeneration nach sportlicher Aktivität, Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin Jahrgang 3/2016, A. Carlsohn

[9] Immunological Aspects of Sport Nutrition Immunol Cell Biol., 4. 12. 2015, M. Gleeson

[10] Effects of Protein Supplements on Muscle Damage, Soreness and Recovery of Muscle Function and Physical Performance: A Systematic Review, Sports Med (2014) 44 S. M. Pasiakos et al.

l.

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