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Reizdarmsyndrom

Allgemein: 
Das Reizdarmsyndrom (colon irritabile) gehört zu den "funktionellen
Erkrankungen" und zeichnet sich durch eine beeinträchtigte Darmfunktion aus.
Der Begriff funktionell bedeutet in diesem Zusammenhang, dass keine
organischen Ursachen für die Beschwerden gefunden werden konnten.
Die Ausprägung der Erkrankung wird durch viele Faktoren beeinflusst, 
wobei die psychische Verfassung einen erheblichen Einfluss zu haben scheint.
Der Magen-Darm-Trakt wird durch ein eigenes autonomes Nervensystem
(enterisches Nervensystem) reguliert. Da Nervenzellen sehr sensibel auf
Stressreaktionen und andere physische und psychische Belastungen reagieren,
können diese oftmals buchstäblich "auf den Magen schlagen".
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Die Diagnose Reizdarmsyndrom wird gestellt, wenn folgende drei Aspekte zutreffen:
1.) Chronische (> 3 Monate) Darmbeschwerden (Bauchschmerzen, Blähungen), die  häufig mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen.
2.) Die Beschwerden beeinträchtigen die Lebensqualität.
3.) Es liegen keine anderen Erkrankungen vor, die das Auftreten der Symptome erklären könnten.
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Einige Faktoren begünstigen zudem die Ausprägung des Beschwerdebildes. Hierzu gehören: Veränderung des Mikrobioms (bakterielle Besiedlung), immunologische Veränderungen (Entzündungen, die im Blutbild nicht nachweisbar sind), eingeschränkte Barrierefunktion der Schleimhaut, Hyperreaktivität und eine veränderte Aktivität bzw. Bewegung des Darms. 
Darüber hinaus leiden viele Patienten an einer Verwertungsstörung von fermentierbaren Zuckern und Zuckeraustauschstoffen. Diese sind unter dem Akronym FODMAP (Fermentierbare Oligo-, Di- , Monosaccharide und (and) Polyole) zusammengefasst. Zu den Polyolen zählen diesbezüglich im engeren Sinne Zuckeraustauschstoffe wie Mannitol, Xylitol und Sorbitol.  Insbesondere Laktose (Disaccharid) und Fruktose (Monosaccharid) bereiten den Betroffenen meist Probleme (nähere Informationen zu FODMAPs).
Durch die genannte Verwertungsstörung verbleiben diese Verbindungen im Darm und ziehen Wasser an (osmotischer Effekt), wodurch es häufiger zu Durchfällen  kommen kann. 
Darüber hinaus sollte beobachtet werden, ob die Beschwerden evtl. eine Medikamentennebenwirkung sind (z.B. von Metformin).
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​Symptome: 
häufig wechselnde Beschwerden: Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall, Verstopfung
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Wann zum Arzt?
Wenn die oben genannten Beschwerden dauerhaft bzw. regelmäßig auftreten, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Grundsätzlich gilt das Reizdarmsyndrom als Auschlussdiagnostik. Demnach sollten alle anderen potentiellen Ursachen (z.B. Colitis Ulcerosa, Morbus Crohn, Infektionen, Krebserkrankungen etc.) ausgeschlossen worden sein.
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Therapie:
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Die Therapieansätze reichen von der Regulation der Darmflora bis hin zur symptomorientierten Behandlung.
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1. Probiotika: Diese Präparate enthalten lebende (ungefährliche) Bakterien, die die Regeneration des Mikrobioms fördern und sich positiv auf den gesamten Organismus (z.T. auch Psyche) auswirken. Sie verbessern die Immunfunktion, reduzieren nachweislich allergiebedingte Beschwerden und schützen vor unerwünschten Nahrungsmitteleinflüssen. Darüber hinaus eignen sie sich zur Regenerierung  des Darms nach einer Antibiotikaeinnahme. Da bei vielen Patienten, die unter einem Reizdarmsyndrom leiden, häufig Entgleisungen der Darmflora vorliegen, eignen sich diese Präparate hervorragend zur Reduktion der Problematik.
Präparate:
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2. Pflanzliche Präparate: Die ätherischen Öle der Pfefferminze, des Fenchels, Kümmels und Anis wirken krampflösend, verdauungsfördernd und gastreibend (Reduktion von Blähungen). Sie sollten allerdings nicht in der Schwangerschaft angewendet werden. Als besonders wirksam hat sich die Pflanzenextrakt-Mischung des Iberogast® erwiesen, die bei nahezu allen Symptomen des Reizdarms Linderung verschafft und daher häufig von Gastroenterologen empfohlen wird. Daneben hat sich jedoch auch die Kombination aus Kümmel- und Pfefferminzöl (Carmenthin®) als sehr gute Therapiealternative bewährt. Insbesondere das Pfefferminzöl hat ein breites Wirkspektrum (z.B. krampflösend, antiviral, entzündungshemmend, schmerzstillend). 
Die pflanzlichen Präparate sollten nicht von Kleinkindern und Patienten mit Verengungen im Bereich der Gallengänge eingesetzt werden.
Präparate:
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3. Quellmittel: Quellmittel können prinzipiell sowohl bei Verstopfung als auch bei Durchfall eingesetzt werden (v.a. Flohsamenschalen).  Bei Durchfall werden sie unverdünnt (evtl. in Joghurt einrühren) eingenommen und binden im Darm überschüssiges Wasser, wodurch es zur Eindickung des Stuhls kommt.
Wenn eine Verstopfung vorliegt, sollten die Flohsamenschalen vorher in Wasser ca. 30 Minuten aufquellen. Anschließend sollte diese Mischung zügig getrunken werden (möglichst noch 1-2 Gläser nachtrinken). Das vorherige Aufquellen bewirkt eine verstärkte Dehnung der Darmwand, woraufhin aus dem umliegenden Gewebe zunehmend Wasser in den Darm gepumpt und die Stuhlkonsistenz weicher wird. Auf eine ausreichende Trinkmenge ist zu achten, da ansonsten eine Verstopfung provoziert werden kann. Die Quellmittel binden Bakteriengifte, aber auch z.T. Arzneimittel, weshalb zwischen der Einnahme von Quellmitteln und anderen Arzneimitteln mindestens 30 Minuten Abstand eingehalten werden sollte. Pro Tag sollten nicht mehr als 30 g Quellmittel aufgenommen werden.
Präparate:
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4. Entschäumer: Die Entschäumer setzen die Oberflächenspannung der eingeschlossenen Gasblasen herab und sorgen dafür, dass die Gase sich besser in den Darmsäften lösen, wodurch das Gasvolumen innerhalb des Darms abnimmt und die Blähungen reduziert werden. Durch die Reduktion des Gasvolumens werden die Dehnungsrezeptoren in der Darmwand weniger stark beansprucht, sodass in der Folge das Völlegefühl und auch die Schmerzen reduziert werden. Eine regelmäßige Einnahme ist erforderlich und sollte in der Regel zwei Wochen, jedoch ohne ärztliche Absprache nicht länger als vier Wochen, durchgeführt werden.
Präparate:
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5. Spasmolytika: Bei krampfartigen Beschwerden kommen diese krampflösenden Präparate zum Einsatz.
Patienten mit Engwinkelglaukom, Blasenentleerungsstörungen, starke Verengungen des Magen-Darm-Trakts oder Herzrhythmusstörungen sollten diese Präparate nicht einnehmen.
Präparate:
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6. Loperamid: Jener Wirkstoff hemmt die Darmbewegung und beendet dadurch den Durchfall. 
Die Einnahme sollte keinesfalls bei Fieber oder blutigem Stuhl erfolgen.  Als Nebenwirkung kann eine Verstopfung auftreten. Die Therapie sollte in der Selbstmedikation nicht länger als 2 Tage erfolgen. Kinder unter 12 Jahren dürfen dieses Arzneimittel ohne ärztlichen Verschreibung nicht einnehmen.
Präparate:
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7. Lactulose: Lactulose (nicht mit Lactose verwechseln) ist ein Disaccharid (Zweifachzucker), das durch menschliche Enzyme nicht gespalten werden kann. Bakterien, die überwiegend den Dickdarm besiedeln, können diesen Zucker jedoch spalten. Im Dickdarm findet hingegen kaum Resorption (Aufnahme von Nährstoffen) statt, sodass aufgrund des osmotischen Effektes Wasser aus den umliegenden Geweben in den Darm gepumpt wird. Der Wirkeffekt ist im Vergleich zu den Quellmitteln meist stärker ausgeprägt. Die Dosierung sollte einschleichend erfolgen. Bei vorhandenem Darmverschluss oder entzündlichen Darmerkrankungen, sollte dieser Wirkstoff nicht eingesetzt werden.
Präparate:
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Zusatzhinweise:
Auf Unverträglichkeiten achten! Viele Patienten vertragen FODMAPs (siehe oben) nicht. Daher sollte hier eine entsprechend angepasste Diät erfolgen. Daneben sollte auf eine ausreichende Trinkmenge geachtet werden. Krampfartige Beschwerden lassen sich meist mit Wärme lindern. Aufgrund der sensiblen Regulation der Darmtätigkeit (enterisches Nervensystem), kann Stress extreme Folgen auf die Magen-Darm-Funktion haben. Deshalb empfiehlt sich eine ausgewogene, abwechslungsreiche Lebensführung. Bei Bedarf können Entspannungstechniken (z.B. autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation) zur Stressreduktion angewendet werden. Darüber hinaus sollte auf eine regelmäßige Nahrungsaufnahme (möglichst 5-7 kleinere Mahlzeiten als zwei große) und einen beständigen Tagesrhythmus geachtet werden (Einfluss der Chronobiologie und -hygiene ist zur Zeit ein spannendes Forschungsfeld, nähere Informationen).
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